Karben 1/2021 Feb. 2021
7 Zeit und Motivation „Miss den zehntausend Dingen keine Bedeu- tung bei, und dein Herz wird nicht verwirrt sein. Lass dir Leben und Tod gleich wichtig sein, und dein Verstand wird ohne Angst sein. Nimm gegenüber Wandel und Beständigkeit die gleiche Haltung ein, und nichts wird deine Klarheit trüben.“ (Laotse) Faszinierend an unseren Gewohnheiten sind die unmittelbaren, alltäglichen Erfahrungen, die wir mit ihnen machen. Was verstehen Sie unter Gewohnheiten? Und kennen Sie Ihre Gewohnheiten ganz genau? Jeder Mensch besitzt eine Reihe von Gewohnheiten, die oft bis in die frühe Kindheit zurückreichen. Andere dagegen entwickeln sich im Laufe des Lebens etwa im Berufsleben, wenn die Arbeitsabläufe durch Ordnungskriterien be- stimmt werden. Oder solche Gewohnheiten, die zeigen, wie sie das Alltagsleben in jeder Hinsicht beeinflussen. Dazu beobachten Sie einmal Folgendes: • Bevor Sie zu Bett gehen, achten Sie darauf, was Sie genau unternehmen. • Wenn Sie morgens das Badezimmer betre- ten, werfen Sie einmal einen Blick darauf, welche einzelnen Schritte Sie vornehmen, bis sie das Bad wieder verlassen. • Was unternehmen Sie nach dem Badauf- enthalt - genau bis zu dem Zeitpunkt, bis Sie Ihre Wohnung verlassen. • Jetzt beginnt der Weg zur Arbeit. Überprü- fen Sie, was Sie machen bis Sie zu Ihrer Wirkungsstätte gelangt sind. • Sobald Sie an Ihren Arbeitsplatz angelangt sind, was machen Sie jetzt, genau bis zu dem Zeitpunkt, bis Sie endgültig Ihre Arbeit aufnehmen. • Dann beginnt die reguläre Arbeitszeit. Machen Sie sich die Mühe und legen Sie fest, was Sie alles mit großer Routine tun. Was sind das für Tätigkeiten? Wie viel Zeit kostet Sie der einzelne Arbeitsschritt? Sicher ist Ihnen bereits aufgefallen, dass Sie den Ablauf des Alltags durch Gewohnheiten so regeln, dass Sie jederzeit wissen, was die nächsten Schritte sind. Das hat für Sie Vor- teile, denn Sie sparen und gewinnen zugleich Zeit. Sparen insofern, weil die gewohnten Tätigkeiten keine Mühe kosten und durch die ständige Wiederholung „schnell“ erledigt werden. Und Sie gewinnen Zeit, indem Sie sich auf wichtigere Aufgaben konzentrieren können. Wie immer verbirgt sich hinter dieser durchra- tionalisierten und auf Kontrolle ausgerichteten Selbstdisziplin ein Hinkefuß, nämlich die unausgesetzte Bereitschaft zu „funktionie- ren“. Das sieht so aus: das Handy am Ohr, die Hände auf der Computertastatur und in Gedanken schon bei der nächsten Be- sprechung. Der moderne Mensch reguliert, diszipliniert oder koordiniert, ohne sich der Folgen seines Handelns für Leib und Seele bewusst zu werden. Der Journalist Stefan Mausebach meint: „Es gibt nichts Köstlicheres als ein von festen Ge- wohnheiten geprägtes Leben. Gewohnheiten geben dem Leben eine Form, die es sogar zumKunstwerk machen kann. Ich bewundere Menschen, die nach festen Gewohnheiten leben, essen, sich anziehen oder sprechen. Solche Gewohnheiten sind das Fundament der Kultur.“ Unter dem Wort Gewohnheit verstehen wir auch: „alter Trott“, „Schlendrian“ oder ein Beharren auf etwas. Ferner verstehen wir darunter auch Sitte, Charakter oder eine bestimmte Sinnesart. Wir sprechen weiter von „Gewohntem“ und meinen damit woh- nen oder sich zu einer bestimmten Gruppe zugehörig fühlen. Allerdings assoziieren wir damit auch Trägheit, die Zeit verschlafen, Überholtes, Abgestandenes oder das „ewig Gestrige“. Weiter, dass es sich um „alte Zöpfe handelt“, dass etwas ein „alter Hut“ ist. Ferner verstehen wir darunter „Bequemlich- keit“ „Aufschieben“ oder „etwas beim Alten belassen“. Mit Gewohnheit verbinden wir, dass eine Sache ihren „gewohnten Gang“ geht; oder als Zwang, wenn das Gewohnte entweder abgeschafft oder irgendwie verän- dert wird. Eine andere Seite unserer Gewohn- heiten besteht darin, dass wir: • über eine zu geringe Anpassungsfähigkeit verfügen • Sklave von Zwängen und Lastern werden • uns unter Dauerschock setzen Beispiele: Neugierde, Einseitigkeit in Meinungen und Überzeugungen, ständige Aufgeregtheit, Hektik, die bis zur Raserei gehen kann. • Aufgaben oder Termine ständig verschie- ben, damit die anstehenden Aufgaben erst gar nicht angepackt werden müssen. Jetzt beginnt die Suche nach Ablenkung. Denn wenn Sie sich von etwas „ablenken lassen“ bedeutet das, dass Sie etwas hinausschieben wollen. Aber das Hinauszö- gern von wichtigen Tätigkeiten ist Zeitver- schwendung. Beispiele von Gewohnheiten mit hoher Zeit- verschwendung: • Langweile (darauf komme ich später noch zurück) • unregelmäßige Schlafenszeiten • Spielen vor dem PC • Fernsehen schauen ohne ein Ende zu fin- den • oder übertriebene Überzeugungen, z. B. einer Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Zwar sind gewissenhafte Menschen etwas besser dran, aber nur solange, wie sie nicht zu Perfektionisten ihres Zeitverhaltens wer- den. Jedes Extrem führt am Ziel vorbei und der perfekt sein wollender Mensch schießt deshalb oft über seine selbst gesetzten Maß- stäbe hinaus, indem er ständig zögert oder verschiebt, um zum Schluss nichts wirklich zu Ende zu bringen. Menschen, die sich gerne unter Druck setzen oder die sich für eine Sache ins Zeug legen, neigen dazu, eine hohe Verantwortung auf sich zu nehmen. Kurz: Sie wollen die Kontrolle über ihr Tätigsein behalten. Menschen mit diesem übertriebenen Arbeitsstil wollen nichts ändern. Der Preis scheint ihnen zu hoch zu sein, denn den einmal erworbenen Ruf eines fleißigen und verantwortungsvollen Menschen sind sie selten bereit aufzugeben. Die Macht der Gewohnheit besitzt mächtigen Einfluss auf unser Wissen, Wollen und Können. Sie bestimmt in einem großen Maße darüber, wie Sie Ihr Zeitverhalten steuern bzw. wie Sie überhaupt Ihre Zeit mit Ihren Zielen und Aufgaben in Einklang bringen. Übung: Machen Sie eine Analyse Ihrer Ange- wohnheiten, Rituale und Ticks. Friedrich Nietzsche aus seinem Werk „Mor- genröte“. Er schreibt: Langsame Kuren. „Die chronischen Krankheiten der Seele ent- stehen wie die des Leibes, sehr selten nur durch einmalige grobe Vergehungen gegen die Vernunft von Leib und Seele, sondern gewöhnlich durch zahllose unbemerkte kleine Nachlässigkeiten. Wer zum Beispiel Tag für Tag um einen noch so unbedeutenden Grad zu schwach atmet und zu wenig Luft in die Lunge nimmt, sodass sie als Ganzes nicht hinreichend angestrengt und geübt wird, trägt endlich ein chronisches Lungenleiden davon: in einem solchen Falle kann die Hei- lung auf keinem anderen Wege erfolgen, als dass wiederum zahllose kleine Übungen des Gegenteils vorgenommen und unvermerkt andere Gewohnheiten gepflegt werden, zum Beispiel, wenn man sich zur Regel macht, alle Viertelstunden des Tages Einmal stark und tief aufzuatmen (womöglich platt am Boden liegend; eine Uhr, welche die Viertelstunden schlägt, muss dabei zur Lebensgefährtin gewählt werden).“ Im Leben entwickelt jeder auf seine Art Gewohnheiten, deren Begründbarkeit oder Beliebigkeit nur aus der individuellen Sicht zu erklären ist. Beispiele: • eine regelmäßige Lebensweise, die sich exakt nach der Uhr richtet • genau das Gegenteil davon, nämlich eine Lebensweise, die keine Regeln kennt • Ihre Arbeitstechniken z. B. nach bestimm- ten Prinzipien Ordnung zu halten • Verhaltensweisen, die bereits Ihre Eltern gepflegt haben • Sammelleidenschaft, Perfektionismus oder nur ganz bestimmten Regeln folgen, kön- nen • Rauchen, Trinken, Essen kurz - alles was sich eine Person zu eigen macht, kann Ausdruck von Gewohnheiten sein. Fortsetzung in der nächsten Ausgabe
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