Karben 4/2021 Mai 2021
7 Zeit, Krisen, Konflikte und Macht Teil 2 Fortsetzung in der nächsten Ausgabe Eine Vorabdiagnose: Menschen brauchen Macht, allerdings gibt es keinen Grund, an- zunehmen, dass man sie missbrauchen soll, denn die Wirkung von Macht ist nur dann zu verstehen, wenn wir eine Erfahrung mit ihr erlebt, erlitten oder selbst ausgeübt haben. Weiter: Macht ist als ein Überlebensprinzip zu begreifen, denn in der Macht spiegelt sich das Gesetz der Kompensation (Ausgleich) wider. (Alfred Adler nennt das Minderwertig- keitsgefühl oder Komplex). Es besagt, dass wir im Spiegel der Macht Unvollkommenhei- ten, Tragisches, Verstecktes, Verborgenes, Neidvolles, Angstbesetztes, Tugend- und Lasterhaftes verbergen. Kurz: Wir spielen z. B. mit der Macht, um andere verlieren zu sehen. Oder: Wir spielen mit der Macht, um andere von irgendwelchen Notwendigkeiten zu überzeugen, denn: • Wir sind von uns überzeugt. • Wir wollen „oben“ sein. • Wir spielen mit der „Ohnmacht“. • Wir wollen zu anderen eine Distanz wahren. • Wir wollen befehlen, weil das besser als gehorchen ist. Die Historie sowie die Gegenwart zeigen, dass Macht im politischen, beruflichen und individuellen Sinne mit der ganzen Kraft von Grausamkeit, Verletzbarkeit, Inhumanität, Hass und Brutalität überzogen ist. Beachten Sie, dass Macht und Konflikte zweierlei sind. Es gibt keine Konflikte, die nicht auch andere Teile unserer Wertvorstellungen berühren. Z. B. ist ein Streit zwischen einem Mitarbeiter und seinemVorgesetzten manchmal von einer Vielzahl anderer Überzeugungen begleitet, die mit der Auseinandersetzung oft gar nichts zu tun haben. Jeder Konflikt, sobald er sich verselbstständigt und zum Machtspiel wird, hat selten eine Chance, gelöst zu werden. Deshalb gilt das wichtigste Prinzip der Macht der „Friedenserhaltung“. Anders: Macht soll Frieden erhalten und nicht gefährden. Ihnen ist sicher klar, dass es schnell zu Konflikten kommt, wenn innerhalb von In- teressengruppen oder Organisationsorgani- grammen u.v.m. Verschiebungen eintreten. Besonders dann, wenn daraus hierarchische Beziehungsgeflechte oder Machtansprüche neue Verknüpfungen und Wechselverhält- nisse ergeben. Meistens brauchen Konflikte lange Zeit, bis sie erkannt werden. Die Warn- signale, die bereits lange vor einem Konflikt erkennbar sind, fallen meistens zu spät auf. So nimmt der Konflikt (Konfliktgeschichte) seinen Lauf. Fragen wir uns: • Was können wir aus einem Konflikt lernen? • Wie können wir einen Konflikt als Chance für Neues betrachten. • Wie kann uns die Entstehungsgeschichte eines Konfliktes in Zukunft vor weiteren Problemen bewahren? Macht besitzt auch noch eine andere Seite, nämlich wenn sie in einer Art „Herrenmoral“ aufblitzt. Diese Moral ist gekennzeichnet durch Gegensätze: gut – schlecht, vornehm – verächtlich oder gut und böse. Verachtet wird außerdem: Feigheit, Ängstlichkeit, Klein- liches, nur an den eigenen Nutzen denken oder Misstrauen. Beispiele: Die meisten Er- kenntnisse aus Konflikten und Macht ziehen Sie aus Ihrem beruflichen Alltag und Ihrem privaten Umfeld. Beispiele: • Konflikte aus Täuschungsmanövern, z. B. wenn Versprechungen nicht eingehalten werden. • Macht im Sinne als Gegnerschaft, z. B. wenn um Geld gestritten wird. • Macht als Begierde, z. B. wenn es um die eigenen Vorteile geht. • Konflikte als Verneinung des Lebens, z. B. wenn Sie von Pessimisten umgeben sind. • Macht als Zwang, z. B. wenn Sie etwas machen sollen, was Ihrer Meinung wider- spricht • Macht als Raffinesse, z. B. wenn Sie in eine argumentative Sackgasse geraten. Was aber ist der Motor, der Macht und Kon- flikte auslöst? „Wer keine rechte Leidenschaft für Macht, Reichtum, Wissen und Ansehen hat, kann nicht viel Phantasie oder Urteilskraft besitzen“. (Thomas Hobbes) Man kommt gar nicht so ohne weiteres da- rauf, aber bei genauerem Nachdenken löst sich der Knoten. Denn zur Macht gehört auch die Eitelkeit und das besagt: • was glaubt der Mensch, welchen Wert ihm andere beimessen. • Der Eitle glaubt, was er an neuen Werten schafft. • dass der Eitle darauf wartet, dass gut über ihn gesprochen wird. • dass der Eitle sich über jede gute Meinung freut, aber wie er auch auf der anderen Seite zu jeder schlechten Meinung leidet. Der Eitle fühlt sich beiden unterworfen. • auch einen Instinkt für einen Rang, Posi- tion, die ein Mensch in der Gesellschaft wahrnimmt zu besitzen. Denn es gibt in unseren Tagen eine Lust auf Nuancierung oder besser einen Instinkt vor Ehrfurcht. • und dass der Eitle manchmal glaubt, über Vorrechte durch Geburt und Besitz zu verfügen. Auch die Bildung gehört dazu. Allerdings: Bildung und Erziehung sind Täuschungsmittel. Sie täuschen über die wahre Herkunft einer Person hinweg. Dabei ist nicht die äußere Form gemeint, sondern die seelische Verfassung. Denn was der Mensch braucht, ist nicht noch mehr Eitelkeit, sondern Würde. Egoismus ist auch ein Teil der Macht und bedeutet: Der Egoist blickt nicht gerne nach „oben“, sondern entweder vor sich, horizontal oder hinab. Erfolg bedeutet: dass der „Erfolgreiche“ im- mer ein großer Lügner ist. Ein Mensch, der nach Großem strebt, betrachtet jedermann, den er auf seiner Lebensbahn begegnet, entweder als Mittel oder als Verzögerung. Kurz: Konflikte und Macht sind Ereignisse auf Zeit. Der Philosoph Peter Sloterdijk spricht davon, dass der Mensch nach „Selbstbejahungs- Stellen“ suchen soll. Wer davon wenig in sich spürt, wird ganz unbewusst die Macht-Keule schwingen. Denn was den Geist nicht bewegt, das übernimmt der Körper. Fehlende Selbst- akzeptanz wird gerne durch Kritik ersetzt. Allerdings besitzt sie: • oft eine destruktive Wirkung • beschäftigt sich damit, sich gegen Kritik zu wehren • hat entmutigenden Charakter und • führt nach einem Angriff und einer Gegen- reaktion zu erneutem Angriff. Kritik hat auch ein anderes Gesicht; näm- lich, dass daraus Ideen entstehen, die aus unterschiedlichen Perspektiven betrachtet, zu neuen Denkanstößen führen. Folgerung für Sie: Ihr Denken sollte sich ganz im Sinne der Entwicklung Ihrer Selbstakzeptanz entwi- ckeln, dass Sie lernen nicht zu fragen: • was ist falsch an einer Sache...? • Was kann ich/ wir lernen, nutzen, bewegen, um zu neuen Einsichten und Erkenntnissen zu kommen? Denn das besondere an der Kritik ist: – Sie bringt neue Ideen und zeigt andere Wege auf. – Sie führt zu mehr Offenheit. – Sie führt näher zur Sache. – Sie zeigt Schwachstellen. – Sie hilft, den anderen zu verstehen und aus Fehlern und Problemen werden Chancen. – Verteidigungs- und Rechtfertigung sind nicht mehr notwendig – und sie hilft loben. Das, was heute überall zu beobachten ist, ist der Feuereifer, mit dem alles und jedes diskutiert wird. Kurz: Es geht selten um Lö- sungen, vielmehr um die Fähigkeit, „diskus- sionsfreudig“ zu wirken. So wird der Alltags- mensch zum Helden, weil er seine kleinsten Beweggründe heraufbeschwört. Der Alltag wird weiter psychologisiert und manchmal demoralisiert. Was viele nicht wissen, dass man der Seele kaum etwas vormachen kann. Hinter den Gesichtern der Scheinwelt des Schönen steckt im Wesenskern der Leute eigentlich der perfekte Pessimist.
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