Karben 06/2020 Juli/August 2020

4 Zeitbetrachtungen aus geschichtlicher, philosophischer und psychologischer Sicht Fortsetzung in der nächsten Ausgabe Mit einer Geschichte aus Sindbad der Seefahrer möchte ich das Geschehen eines Greisen vortragen. Ich erzähle sie, weil sie ein Licht darauf wirft, was passiert, wenn uns der böse Kobold „Zeit“ gefangen hält. Denn der Geist, das sind wir, die große Lasten tragen, die sich bildlich auf unseremRücken festset- zen. Erkennbar am suchtkranken „Workaholic“ oder beim Burn-out Erkrankten. Die Worte des Kobolds sind als vorbeugende Maßnahme zu verstehen, bevor Sie im Trubel der Geschäftigkeit, den eigener Gnom nicht mehr abschütteln können. Zur Geschichte „Als ich ein wenig in das Innere der Insel vordrang, bemerkte ich einen Greis, der am Ufer eines Bäch- leins saß und mir sehr erschöpft schien. Mein erster Gedanke war, er habe genau wie ich Schiffbruch erlitten. Ich näherte mich ihm und grüßte ihn. Darauf fragte ich, was er da tue, worauf er mir durch ein Zeichen zu verstehen gab, ich solle ihn auf meinen Schultern über das Bächlein tragen, denn er wolle am anderen Ufer Blumen pflücken. Da ermir wirklich hilfsbedürftig erschien, nahm ich ihn auf meinen Rücken und trug ihn durch das Bächlein. Als wir am anderen Ufer ankamen, neigte ich mich tiefer, damit er bequemabsteigen konnte und sprach zu ihm: „Steig herab“! Doch statt das er abstieg, schlug der Greis, der mit so schwach erschienen war, sanft seine beiden Beine, um meinen Nacken und setzte sich fest auf meine Schultern, wobei er meine Kehle so eng umspannte, als wollte er mich erdrosseln. Todesangst kam über mich, und ich fiel ohnmächtig nieder. Der Greis kümmerte sich nicht ummeine Ohnmacht, sondern blieb an meinem Halse hängen. Er gab mir nur ein wenig Luft, damit ich wieder zu mir kommen konnte. Als ich wieder zu atmen begann, drückte er mir einen seiner Füße gegen den Unterleib und stieß mich mit den anderen heftig in die Seite, sodass ich mich beeilte, aufzustehen. Sobald ich wieder stand, dirigierte er mich unter die Bäume und zwang mich, deren Früchte zu pflücken und so viel davon zu essen wie nur möglich. Weder Tag noch Nacht verließ er meinen Rücken, undwenn ich ausruhen wollte, so legte er sich mit mir auf die Erde nieder, dabei stets dieBeine ummeinenNacken geschlagen. Und jeden Morgen stieß er mich heftig an, ummich aufzuwecken. Stellt euch die Gedanken vor, die mich/Sie in einer solchen Lage Bewegen mussten!“ Ende der Geschichte Unser Geschichtsbewusstsein ist ohne Berücksichti- gung des kirchlichen Lebens durch Jahrhunderte gar nicht denkbar. Für den mittelalterlichen Menschen bestand weltliches Leben in der Vorstellung, dass der Tod die eigentliche Erlösung bedeutete. Erst mit der Frühindustrialisierung begann eine prä- zise Zeitrechnung. Vorher war es der Glockenschlag der Kirchen, die den Menschen den Zeittakt vorga- ben. Sie läuteten beim ersten Hahnenschrei zum Gebet, und wenn die Sonne amHimmel den höchs- ten Stand erreichte, bedeutete es für die Menschen, dass die Mittagszeit zum Essen und Ausruhen ruft. Erst mit den zunehmenden technischwissenschaftli- chen Erkenntnissen verfeinerte sich das Bewusstsein von der „Zeit“. Besonders Uhrmacher, Künstler und Mathematiker entwickelten immer nützlichere Formen von Chronometern, die mit der Zeit das Glockenläuten ablösten. Uhren mit Minuten- und Sekundenzeiger waren jetzt die exakten Kontrolleure über das Zeitgeschehen. Damit begann die Herrschaft des Staa- tes und des aufkommenden Großbür- gertums. Besonders die Erfindung der Dampfmaschine und des Eisenbahnver- kehrs schafften im 19. Jahrhundert die entscheidenden Voraussetzungen für ein gigantisches wirtschaftlichesWachstum. Das Resultat dieser rasanten Entwicklung bestand darin, das Tempo laufend zu steigern und damit die Zeit des Einzelnen an den ökonomischen Gesetzen nach demMotto „Zeit ist Geld“ an das vorherr- schende System anzupassen. Die Zeit des Kapitalismus nahm Formen an und sie bedeutet: rational orientier- tes Denken, andauernde Effizienzstei- gerung und auf Profit ausgerichtete optimierte Verwertung aller Res- sourcen. Erst in neuerer Zeit spricht man auch von „Nachhaltigkeit“. Allerdings entwickelt sich der Gedanke der Nachhaltigkeit nur lang- sam. Nach wie vor wird in vielen Teilen der Welt mit dem Wissen großer internationaler Unter- nehmen Ausbeutung und Zerstörung unter dem Mantel der Verschwie- genheit aufrechterhalten. Ethnische Regeln bleiben unberücksichtigt (Beispiel: Kinderarbeit). Der gren- zenlose Drang, neue Märkte durch Wettbewerb und Verdrängung zu erobern oder Gewinne durch Han- delsbeschränkungenwerden als „liberal“ dargestellt. Undbereits Karl Marxmeinte: „Das Kapital produziert seine eigenen Totengräber“. Die moderne Zeit zeigt sich ebenso in unseren Le- bensweisen. Dazu gehört die Einnahme vonGenuss- mittel in allen Formen mit dem Ziel, den Schlaf oder die Müdigkeit bei Tag und Nacht zu beherrschen. Und die Pharmaindustrie lebt prächtig vom Verkauf von Beruhigungsmittel, Schlaf-Wach-Präparaten oder Grippemittel. Die Esskultur verkümmert immer mehr zur reinen Nahrungsaufnahme. Das Essen - besonders im Alltagsleben - verliert aus diesem Grunde seine Be- deutung als Kommunikationsgelegenheit. Ambesten zu erkennen durch Schnellrestaurants, Imbissstuben oder Schnellgerichte, die die Städte oder die Kühl- truhen in Supermärkten schmücken. Ein weiteres Kennzeichen unserer modernen Gesellschaft sind Uhren an Gebäuden und Plätzen, Handgelenken, Westentaschen, im Fernsehen, als Radiowecker, im Auto, am Handy - überall werden wir daran erinnert „Zeit nicht zu vergeuden“. Anders: Der moderne Mensch glaubt, je wertvoller für ihn die Zeit ist, des- to mehr muss er sie planen, damit er ein Optimum daraus erwirtschaftet. Heute sprechen wir u. a. von persönlichen Bezie- hungsnetzwerken. Facebook, Instagram sowie Tausende anderer Plattformen, die inzwischen Ver- heerendes anrichten, sind herausragende Beispiele für eine neue Form des Beziehungskonsums. Die tieferliegenden Motive sind allerdings anders. Der persönliche Erfolg, die Einzigartigkeit der Person, das bewundert werden oder der Spaß imMittelpunkt zu stehen sind die Triebfedern zur Selbstdarstellung. Denn vernetzt sein bedeutet, die eigenen Wünsche durch Kontakte und Verbindungen zu verdichten. Das kostet allerdings seinen Preis. Denn die „Durchschaubarkeit“, das Wissen um die Lebensgepflogenheiten der eigenen Netzstruktur hilft zwar einen gewissen Informationsbedarf zu decken, aber Tatsache ist, je mehr sich der Mensch „vernetzt“, desto stärker nehmen Verpflichtungen, Zugeständnisse und psychischer Druck auf das Zeitempfinden zu. Die Folge sind physische und psychische Störungen sowie eine Zunahme von körperlichen Einschränkungen. Der Alltag besteht aus vielen Facetten. Manches ist vorhersehbar, anderes geschieht ohne Ihr Zutun und vieles kann sich innerhalb von Minuten ändern. Folglich tragen Sie persönlich die Verantwortung, auf welcheWeise Sie Ihren Tag organisieren, erleben und für sich nutzen. Beispiele: Unangenehmes, indemSie sich über etwas geärgert haben. Eingeschränktes, weil Sie sich auf einenKollegen ver- lassen haben und von ihm enttäuscht worden sind. Endloses, Sie wollen zu einem wichtigen privaten Termin, aber Ihr Chef hält Sie durch lange Monologe von Ihrer Verabredung ab. Langweiliges, denn Sie sind verpflichtet, einen Vortrag zu besuchen, das Thema interessiert Sie aber nicht. Lohn- und Buchhaltungsservice Marie-Ann Gauterin - Steuerfachangestellte Viktoria-Isabell Schymura - Steuerfachwirtin 0175 569112 · info@syga-support.de · www.syga-support.de Wir übernehmen für Sie das *Buchen der laufenden Geschäftsvor- fälle gem. § 6 Nr. 3 und Nr. 4 STBerG, sowie Lohn- und Gehaltsab- rechnungen. www.top-waerme.de Am Taubenbaum 33 61231 Bad Nauheim Telefon 0 60 32 - 97 12 50 Öffnungszeiten: Mo. - Fr. 9 bis 18 Uhr Sa. 9 bis 15 Uhr Jeden Sonntag: Schautag von 14 bis 17 Uhr Ofen- haus

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