Karben 10/2020 Nov./Dez. 2020
4 Sterbende Menschen nicht allein lassen, - auch in Pandemiezeiten Am 28. Septem- ber tagte die Ar- beitsgemeinschaft Wetterauer Hos- pizgruppen mit Vertretungen aus Bad Nauheim, Bad Vilbel, Friedberg, Karben und Schot- ten-Nidda. Die Arbeitsgemein- schaft verabschie- dete gemeinsam einen Aufruf zum Thema „Sterbende Menschen nicht al- lein lassen, - auch in Pandemiezei- ten“: Als imMärz wegen des Ausbruchs ei- ner Pandemie alle Kontakte zueinan- der eingeschränkt und in vielen Ein- richtungen für Hos- pizmitarbeitende verboten wurden, war das für alle Be- teiligten neu und überraschend. Inzwischen leben wir schon länger mit verschiedenen Regeln, die als hilf- reich eingeschätzt werden. Es ist er- kennbar, dass die Infektionsgefahr noch lange Zeit bleiben wird, mal zunehmend, mal abnehmend. Für Menschen, die sich ehrenamtlich und hauptamtlich seit Jahren für ster- bende Menschen und ihre Angehöri- gen engagieren, ist durch dieseSituati- on eine besondere Herausforderung entstanden, die ei- ner Antwort harrt. Hospizmitarbeiten- de durften sterben- deMenschen nicht in Einrichtungen besuchen und be- gleiten. Das war bitter für die ster- bendenMenschen, die allein blieben mit in der Regel übe r f o rde r t em Pflegepersonal, bitter für Angehö- rige, bitter für Hos- pizhelferinnen und -helfer und auch für die Mitarbeitenden der Einrichtungen, denn deren Belastungenwuchs. Die Rege- lungen waren und sind unter- schiedlich restriktiv, oft genug schmerzlich und unerträglich. Die Gefährdungslage der ein- zelnen Häuser unterscheiden sich. Entsprechend werden Regelungen angepasst. In dieser schwierigen Lage müs- sen Wege gefunden werden, dass sterbende Menschen in Einrichtungen begleitet werden können. Die aktuellen Lockerungen der Hessischen Landesregierung verlagern die Verantwortung für die Besuchsregelungen auf die Heimleitungen bzw. deren Träger. Oft gelten auf Grund der Corona-Pandemie noch immer stark einschränkende Kontakt- und Besuchsregeln. Das bedeutet für gebrechliche, schwerkranke und sterbende Menschen in Einrichtungen nicht nur Infektionsschutz, sondern auch Einsamkeit und damit zunehmende Traurig- keit, Verlust an Lebensfreude, Depression. Das zeigt eine Studie zum Thema „Corona und Demenz“, mitinitiiert vom Gießener Soziologen Prof. Reimer Gronemeyer. Prof. Dr. Hardinghaus vom Deutschen Hospiz- und Pal- liativverband betont in der Presseinformation „Gegen Vereinsamung und Isolation“ das auch in Pandemie-Zeiten bleibende Ziel, „dass niemand alleine sterben muss, sondern begleitet von Mitmenschen und unter Einbezug der körper- lichen, sozialen, psychischen und spirituellen Bedürfnisse am Lebensende.“ Es gilt abzuwägen: Infektions- schutz auf der einen Seite und soziale Isolation auf der ande- ren Seite. Die Fragen lauten: Welcher Schutz ist in der jewei- ligen Situation nötig? Wer ge- währleistet ihn? Wie sieht eine praktische Handhabung aus? Wie kannweitere Belastung für Pflegepersonal vermiedenwer- den? Welche Unterstützung braucht es für die Pflegenden? Hospizgruppen bieten ihre Unterstützung an: Denn ge- schulte Hospizmitarbeiterin- nen und -mitarbeiter können in Pflegeeinrichtungen helfen. Bekanntermaßen werden sie von Koordinationskräften in klaren Verantwortungsstruk- turen eingesetzt und begleitet. Diese Ehrenamtlichen sind für Einrichtungen verlässliche Personen. Sie sind fähig, zu kooperieren und vereinbarte Regeln zu befolgen. Mit hos- pizlichen Gruppen kann bei- spielsweise das Tragen von FFP2-Masken in bestimmten Fällen vereinbart werden. Sie würden ermöglichen, einem alten Menschen näher zu kommen als 1,50m. Auch Tes- tungen von Hospizmitarbei- tern sind imEinzelfall denkbar. Oder sie können verpflichtet werden, das zu desinfizieren, was sie während ihres Besu- ches berührt haben. Gemein- sammit den Einrichtungen gilt es angemesseneKonzepte zu entwickeln. Was künftig nicht sein kann und nicht sein darf: Die Isolati- on sterbender Menschen. Das muss unbedingt ver- hindert werden. Oder posi- tiv ausgedrückt: Sterbende Menschen werden in Zukunft wieder von geschulten Kräf- ten liebevoll begleitet. Damit werden sie Pflegende und Angehörige unterstützen und entlasten. Wir schließen uns den Worten Prof. Reimer Gronemeyers an, der im obengenannten Artikel zitiert wird: Egal wie sich die Situation entwickelt: „Es darf sich unter keinen Umständen wiederholen, dass das fun- damentale Bedürfnis nach Nähe und Kontakt einfach abgeschaltet wird.“ Wir hoffen, dass die derzeitigen Lockerungen der Hessischen Landesregierung es ermögli- chen, für die Zukunft Konzepte für Hospizarbeit in Einrichtun- gen zu entwickeln. Gisela Theis, Vorsitzende der Hospizhilfe Wetterau e.V.
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