Karben 10/2020 Nov./Dez. 2020
7 Zeit und Motivation Man sollte die Welt und die Menschen so nehmen, wie sie sind, aber nicht so lassen. Ignazio Silone ital. Schriftsteller Motivation wird gerne als Kraft zum Erfolg angesehen. Ob es sich um den motivierten Mitarbeiter oder den Chef mit ständig guter Laune handelt, allgemein herrscht der Glaube vor, dass „motiviert sein“ ein mehr an Lebens- qualität verspricht. Denn der motivierte Mensch erlebt die Zeit schneller, aktiver, schwungvoller, gezielter, reibungsloser und das motiviert sein ist für viele das Stichwort, mit dem sie Erfolg, Glück und Zufriedenheit verbinden, denn der motivierte Mensch ist voller Entschlusskraft außerdem von großem Tatendrang und einem scheinbar unumstößlichen Willen, zu gewinnen. Wir haben es also mit einem ganzen Bündel von Haltungen zu tun, die sowohl durch äußere Anreize sowie mit einer inneren Vorstellungs- welt in Einklang zu bringen sind. Die besondere Aufgabe für den Motivierten besteht vor allem darin, eine stabile Balance zwischen den äußeren und inneren Gefühls- zuständen zu erreichen. Nun wissen wir, dass ein ständiges Hochgefühl auf die Dauer schwer aufrecht zu erhalten ist. Was tun wir? Wir wenden kleine Tricks an, indem wir um in Stimmung zu bleiben manipulieren. Dazu tragen in vielen Fällen die Motivationsliteratur und bekannte Motivationstrainer bei. Als Bei- spiel hier einige Kernbotschaften die zeigen, wie mit kernigen Sprüchen Überzeugungstä- ter gesucht werden. Dort heißt es: • Denken Sie wie ein Gewinner • Lösen Sie sich von Fesseln • Nutzen Sie die Kraft der Ziele • Beeinflussen Sie Ihre Gefühle Ein anderes Wort, das motiviert sein be- schreibt, ist die Selbstbeauftragung. Mit dem Begriff verbinden sich intensivere, kontinuier- liche und auf einen längeren Zeitraum ausge- richtete Verhaltensweisen. Sie verlangen von einem Menschen mit hoher Selbstbeauftra- gung andere Denkgewohnheiten. Dazu einige Beispiele: Der motivierte mit hoher Selbstauftragungskompetenz: • hat die Wahl, indem er den Willen und die Kraft zur „Selbstmotivation“ entwickelt. • handelt entschlossen, denn Handeln be- deutet, die Entschlusskraft zu stärken. • entwickelt Hingabe, Entschlusskraft und Geduld. • fragt zuerst, bevor er voreilig handelt. Ein anderer Ansatz, um zu Glück und Zufrie- denheit zu kommen, sind Motivationsveran- staltungen. Gurus, Heilsbringer, Weltverbes- serer sie alle beschwören den Erfolg herauf durch Sinnerweiterung. Einige Themen, die Menschen anlocken sollen: • Fünf Schritte vom Herausforderer zum Sieger • Nutzen Sie das Potenzial Ihrer Lebenskraft • Finde deine Bestimmung • Sieger erkennt man am Start – Verlierer auch Die Themenauswahl scheint unerschöpflich zu sein. Die „Events“ sind voll von Empfan- genden, Gläubigen und Sinnsucher, denn der Glaube der Besucher ist tief verwurzelt mit der Hoffnung, durch die Kraft der Versprechungen tatsächlich etwas Neues, Besseres und Inte- ressanteres im Leben zu erreichen. Was auf den Motivationsevents geschieht, ist, dass die Heilsbringer eine moderne Lebenskunst zelebrieren, die nicht an einer stetig wach- senden geistigen Entwicklung der Besucher interessiert ist, sondern indirekt verspricht, ein Leben mit individueller Unverwechsel- barkeit zu führen. Dass eine üppige Anzahl von Heilsbringer ein gutes Geschäft machen, liegt auf der Hand. Sie haben vor allem Anzahl von Multiplikato- ren: z. B., Werbung, Mode, Musik, Pharmazie, Testimonials, Schauspieler, Sportler und Musiker u. ä. Sie dienen als Symbolkraft für ein unerschöpfliches Repertoire an Nachah- mungsgestaltung. Das, was die Menschen erfahren ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Was die Menschen nicht erkennen, ist, dass Sie disziplinierte Sinnsucher sind, die sich einer anderen Zeitökonomie unterwerfen. Denn wer erfolgreich sein will, muss sich dem alltäglichen, lückenlosen, stetigen und ökonomisch nützlichen Zwang einer stets bereiten Leistungsbereitschaft aussetzen. Niemand schafft einen wirklichen Fortschritt ohne, dass er selbst etwas dafür tun und unternehmen muss. Ein wichtiger Schritt auf dem Wege zur per- sönlichen Entwicklung sind unsere Gewohn- heiten. Was verstehen Sie unter Gewohnhei- ten? Und kennen Sie Ihre Gewohnheiten ganz genau? Weiterhin wollen wir uns eingehender mit der Wirkung von Gewohnheiten in unse- rem Leben beschäftigen. Im Leben entwickelt jeder auf seine Art Gewohnheiten, deren Begründbarkeit oder Beliebigkeit nur aus der individuellen Sicht zu erklären ist. Zunächst einige Beispiele: • eine regelmäßige Lebensweise, die sich exakt nach der Uhr richtet • genauso das Gegenteil davon, nämlich eine Lebensweise, die keine Regeln kennt • Ihre Arbeitstechniken, z. B. nach bestimm- ten Prinzipien Ordnung zu halten • Verhaltensweisen, die bereits Eltern ge- pflegt haben • Sammelleidenschaft, Perfektionismus oder nur ganz bestimmten Regeln folgen können • Rauchen, Trinken, Essen kurz - alles was sich eine Person zu eigen macht, kann Ausdruck von Angewohnheiten sein. Dazu gesellen sich die Gründe, die jedem Rechtfertigungen liefern, weshalb man sich etwas "angewöhnen" soll. Viel schlimmer ist, wenn eine Gewohnheit als lästig emp- funden wird. Jeder, der das versucht, wird bestätigen, wie schwer es fällt, sich von einer Gewohnheit wieder zu trennen. Denn das sich immer Wiederholende schafft Bewusst- seinsräume, die für den Einzelnen einerseits mehr Lebensqualität bedeuten, andererseits mit starken Einschränkungen verbunden sein können. Positive Beispiele sind Zeitersparnis oder die innere Balance finden. Negativ wir- ken sich Rauchen, Trinken oder Unordnung aus. Folge: Gesundheitliche Schäden oder Unzufriedenheit. Aber wozu sollen/wollen wir Gewohnheiten ändern? Vielleicht nehmen Sie sich einen Mo- ment Zeit und schreiben einmal auf, welche Gewohnheiten Sie besitzen. Dann entschei- den Sie, welche davon Ihnen angenehm sind und welche eher eine negative Wirkung auf Sie haben. Nun, wie weit sind sie gekommen? Ein (Ihr) Leben führen bedeutet, einen Sinn darin finden. Dazu gehört, dass jeder auf seine Weise nach Zielen sucht, die Erfüllung versprechen. Kurz: Das Leben soll sich von den Üblichkeiten des Alltäglichen unterschei- den. Zum Beispiel: • mehr Zeit für die eigenen Interessen finden • mehr Zeit mit Freunden verbringen • aus dem Alltagstrott entfliehen Damit Sie das erreichen, bedarf es strenger Vorsätze. Vielleicht fragen Sie sich, ob es Rezepte oder kluge Ratschläge gibt, wie Sie mit Gewohnheiten am besten umgehen. Eine kurze Antwort: Gewohnheit ist eine be- sondere Form menschlicher Kreativität und Fantasie. Deshalb: Je eindrucksvoller Sie mit Ihrem Leben umgehen, je mehr Sie dem nur "Gewöhnlichen" entkommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Ihren Gewohnheiten etwas Besonderes abzugewinnen. Lassen Sie es nicht soweit kommen, wie es einmal Artur Schopenhauer ausdrückte: "Das Gewöhnli- che, so viel steht fest, ist nicht dramentaug- lich". Und: "Gewohnheiten sind letztlich nur Vorurteile gegen sich selbst". Ich zitiere Michel de Montaigne, der in seinen berühmten Essais über Platon schreibt: Er wies einmal ein Kind zurecht, weil es mit Nüssen spielte. Es antwortete ihm: "Du schiltst mich wegen einer Kleinigkeit"." An- gewohnheiten“, versetzte Platon, „sind keine Kleinigkeit". Noch ein Beispiel: Eine Frau, so um die 40 Jahre, ist es schon immer gewohnt, beruflich erfolgreich zu sein. Allerdings gab es große Veränderungen im Unternehmen, von denen sie plötzlich persönlich betroffen war. In der Besprechung sagte sie: "Ich kann mir selbst nicht erklären, wie sich plötzlich Antriebs- schwäche, Lustlosigkeit und Zweifel an den eigenen Fähigkeiten in meinem Kopf breit- machen." Fazit: Manchmal kann Erfolg zur Gewohnheit werden. Wenn er, wie bei der Frau, plötzlich ausbleibt, verändert das die Selbstwahrnehmung. Leider nimmt dann oft auch die Gewohnheit zu, sich mit anderen zu vergleichen. In unseren Gewohnheiten stecken meistens Erwartungshaltungen, die dann durcheinan- dergeraten, wenn die Abfolgen täglicher Rou- tinearbeiten unterbrochen werden. Und wenn Erfolg zur Selbstverständlichkeit ausartet, wird es Zeit, etwas dagegen zu unternehmen. Philosophen und Psychologen empfehlen meistens wieder Bescheidenheit zu lernen.
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